Polarlichter bei Sternführung am 10.05.2024 in ZainingenFreitag Abend, den 10. Mai 2024, war ein abendlicher Spaziergang im Rahmen des Sternenparks Schwäbische Alb angesetzt. 19 Personen hatten sich meist schon Wochen vorher angemeldet. Die Wetterbedingungen waren sehr gut, ja sogar die Vorhersage für das Weltraumwetter war eine ganz besondere. Zwei Tage vorher gab es einen signifikanten Massenauswurf auf der Sonne, dessen Ankunft vom SWPC (Space Weather Prediction Center) für die zweite Nachthälfte vorhergesagt wurde. Gegen 19 Uhr MESZ am 10. Mai war die Schockfront jedoch bereits in den Daten des ACE-Satelliten zu erkennen. Die Dichte der Elektronen und die Geschwindigkeit sprangen deutlich nach oben und das Magnetfeld drehte auf Südrichtung, beste Bedingungen für Polarlicht auch in unseren mittleren Breitengraden.

Um 21 Uhr trafen sich alle am Sternguckerplatz Römerstein-Zainingen kurz nach Sonnenuntergang. Nach ein paar einführenden Worten zum Platz und dem Projekt Sternenpark Schwäbische Alb ging es in der blauen Stunde zu Fuß auf den ehem. Truppenübungsplatz Münsingen. Am Turm Waldgreut war es noch hell genug, dass einige den 20 m hohen Stahlgerüstturm bestiegen, um die Aussicht auf die Weiten der heutigen Kernzone des Biosphärengebietes Schwäbische Alb zu genießen. Erste Sternbilder tauchten auf und die Orientierung anhand des Großen Wagens und des Polarsterns wurde erklärt. Dann fiel eine großflächige Rotfärbung des Dämmerungshimmels unterhalb vom Polarstern auf. Schnell zurück zur Wegkreuzung, von der man eine gute Aussicht auf den Nordhorizont hat. Die leichte Rotfärbung erstreckte sich von der Mondsichel im Nordwesten bis nach Nordosten. Wir machten es uns gemütlich auf den Felsen am Wegesrand und bestaunten den Wechsel des Lichtschauspiels. Erste senkrechte rötliche Strahlen erschienen, verschoben sich und erloschen wieder. Ich startete eine Zeitraffersequenz mit starkem Weitwinkelobjektiv. Unterhalb des roten Lichtschimmers war eine blasse Aufhellung zu erkennen, die heller war als die sonst übliche Lichtglocke vom Stuttgarter Raum. Die Kamera zeigte dort eine eindeutige Grünfärbung. Auf Fotos sind Farben viel deutlicher zu sehen, da Kameras nicht die Farbschwäche des menschlichen Auges bei wenig Licht haben. In die laufende Fotosequenz hinein stellten wir uns zu einem Gruppenbild zusammen, das mit einer kleinen Taschenlampe beleuchtet wurde. Gegen 23 Uhr war das Polarlicht nur noch recht schwach und wir machten uns auf den Rückweg. Der Sternguckerplatz hatte sich mittlerweile gut gefüllt mit vielen Astrofotografen und anderen Besuchern. Das Polarlicht war nur noch dezent mit dem bloßen Auge zu sehen und meine Gäste verabschiedeten sich.

Eine zweite Zeitraffersequenz wurde nun gestartet mit dem belebten Sternguckerplatz als Vordergrundmotiv. Aus dem ruhigen grünen Bogen am Horizont tauchten dann bald wieder senkrechte rötliche Strahlen auf. Gegen Mitternacht war die Erscheinung extrem hell und großflächig, jedoch farblich eher blass (mit dem bloßen Auge). Die Strahlen waren nun nicht mehr nur rötlich, auf den Fotos auch violett, blau und manchmal sogar weiß. Grüne Flecken tauchten in größeren Höhen auf und verschwanden sehr schnell wieder, teilweise pulsierend auf einer Zeitskala von einigen Sekunden. Im Zeitraffer flackert das Polarlicht entsprechend in der aktivsten Phase. Eine leichte Rotfärbung des Himmels ging nun bis über den Zenit hinweg. Knapp südlich des Zenits gab es ab und zu eine Corona-Erscheinung, d.h. dass sich die Polarlichtstrahlen dort treffen, wahrscheinlich ein perspektivisches Phänomen. Gegen 2 Uhr MESZ beruhigte sich das Polarlicht wieder zu einem grünen horizontnahen Bogen im Norden und darüber einem schwachen Strahlenvorhang in Violett. Strukturloses Rot erstreckte sich jedoch über ca. zwei Drittel des Himmels, was gut auf der Ganzhimmelsaufnahme zu sehen ist. Die Astrofotografen mit längeren Brennweiten und Nachführung machten weiter tapfer ihre Langzeitbelichtungen, auch wenn diese Art von "Lichtverschmutzung" ihre Deep-Sky-Fotografie erschwerte. Der Sternguckerplatz leerte sich zusehends und gegen 4 Uhr machte sich die Morgendämmerung bemerkbar.

So ein Polarlicht hatte ich in unseren Breiten seit 2003 nicht mehr gesehen. Insbesondere der 20. November 2003 war vergleichbar, da das Polarlicht auch so ausgedehnt war mit Corona und hoch reichenden grünen Flecken. 2003 konnte ich jedoch kein Violett oder Blau beobachten. Gelbe Strahlen wie im April 2000 fehlten 2024, dafür ging es manchmal bis ins Weiß.

Am Folgeabend war der Sonnenwind bereits deutlich abgeflaut. Mit Freunden versuchte ich dennoch eine Beobachtung auf dem Galgenberg über Tübingen. Mit bloßem Auge war nichts zu erkennen. Jedoch ist auf den Kameraaufnahmen ein kurzes violettes Aufflackern hinter dünnen Wolken zu sehen.

Am 10. Mai 2024 hat endlich mal wieder vieles zusammengepasst für eine optimale Polarlichtbeobachtung: Die Schockfront kam abends zeitig an, das interplanetare Magnetfeld drehte auf Süd, es war Wochenende und das Wetter perfekt. Dass ich eh eine gut besuchte Sternführung hatte, war dann noch das i-Tüpfelchen, ich musste das Polarlicht nur noch gut einbauen und den Gästen erzählen, dass ich es im Internet bestellt habe.

360° Panorama

 

Hier ein paar Impressionen

 

Zeitraffer des Polarlichtes am Abendhimmel des 10.5.2024, Zainingen

 

Zeitraffer des Polarlichtes am Sternguckerplatz Römerstein-Zainingen, 11.5.2024